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Das Urteil ist rechtskräftig.

 

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VERWALTUNGSGERICHT STADE

KAMMERN LÜNEBURG

Aktenzeichen:
4 VG 67/87

Verkündet am 22. Februar 1988
Lueder, Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

in der Verwaltungsrechtssache

des Sparkassenangestellten Hartmut Bokelmann, Blockkamp 26, Hohnhorst,

Klägers,

   

- Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte Molsen und Partner,
Mühlenstraße 22 c, Celle

g e g e n

den Wasserversorgungsverband im Landkreis Celle,
Mühlenstraße 5/6, Wienhausen,

Beklagten,

w e g e n Wasserversorgungsbeiträgen.

Die 4. Kammer Lüneburg des Verwaltungsgerichts Stade hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 1988 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kipke, die Richterin am Verwaltungsgericht Vogel, den Richter am Verwaltungsgericht Siebert sowie die ehrenamtlichen Richter Dipl.-Ing. Eberhard Schwarz und Bankkaufmann Werner Seidel für Recht erkannt:

Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 20. Dezember 1986 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 1987 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

...

 

G r ü n d e :

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.

Mit Bescheid vom 28. Juni 1979 wurde er zu einem Beitrag in Höhe von 1.656,14 DM herangezogen; dieser Bescheid wurde im September 1981 - aufgehoben (vgl. hierzu die Verfahren 4 VG A 298/81 und 4 VG D 139/81). Unter dem 1. September 1981 (gleichzeitig mit der Aufhebung des ersten Heranziehungsbescheides) wurde der Kläger zu einem Beitrag in Höhe von 798,75 DM herangezogen, dieser Bescheid wurde am 12. Oktober 1982 zurückgenommen.

Mit hier angefochtenem Heranziehungsbescheid vom 20. Dezember 1986 wurde der Kläger zu einem Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.396,80 DM herangezogen. Auf den Widerspruch des Klägers erließ der Beklagte unter dem 4. Februar 1987 einen neuen Bescheid, der sich auf den Widerspruch bezieht und mit dem dem Widerspruch teilweise stattgegeben wird. Der Wasserversorgungsbeitrag wurde auf 2.340,-- DM festgesetzt. Nach der Rechtsbehelfsbelehrung wurde dem Kläger die Möglichkeit der Erhebung eines Widerspruchs eingeräumt.

Der Kläger hat daraufhin am 24. Februar 1987 Klage erhoben. Bereits mit Schreiben vom 19. Februar 1987 hatte er den Beklagten auf die Klageerhebung sowie darauf hingewiesen, daß ein Grundstücksanschluß noch nicht verlegt worden sei.

Zur Klagebegründung macht der Kläger Ausführungen zur Sach- und Rechtslage und trägt vor, ein Grundstücksanschluß sei nicht vorhanden. Die Leitung ende rd. 1 m vor der Grundstücksgrenze.

Der Kläger beantragt,

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 20. Dezember 1986 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 1987 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Möglichkeit einer Klage nicht für gegeben. Denn dem Widerspruch sei teilweise stattgegeben worden, so daß dagegen noch einmal Widerspruch eingelegt werden müsse. Das habe der Kläger versäumt, so daß die Heranziehung bestandskräftig geworden sei.

Einem Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes wurde stattgegeben (Beschluß der Kammer vom 16. April 1987 - 4 VG D 29/87 -); die Beschwerde des Beklagten blieb ohne Erfolg (Beschluß des OVG Lüneburg vom 8. September 1987 - 3 OVG B 61/87 -).

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen - auch im Verfahren 4 VG D 29/87 - Bezug genommen.

 

II.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1) Die Klage ist zulässig.

a) Vor Erhebung der Klage hat ein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO stattgefunden. Der Bescheid vom 4. Februar 1987 ist im wesentlichen ein Widerspruchsbescheid (vgl. hierzu Beschluß der Kammer vom 16. April 1987 im Aussetzungsverfahren - 4 VG D 29/87 - sowie die dazu ergangene Beschwerdeentscheidung des OVG Lüneburg).

b) Selbst wenn man mit dem Beklagten der Auffassung sein wollte, gegen den Bescheid vom 4. Februar 1987 sei lediglich der Rechtsbehelf des Widerspruchs gegeben, so wäre die vorliegende Klage nicht unzulässig, Denn dann handelte es sich um eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO. Hiernach ist eine Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Widerspruch in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. So würden die Dinge hier liegen. Denn im Schreiben des Klägers vom 19. Februar 1987 an den Beklagten wäre ein Widerspruch zu sehen, da der Kläger hierin innerhalb der Monatsfrist zum Ausdruck gebracht hat, mit seiner Zahlungspflicht nicht einverstanden zu sein. Über diesen Widerspruch hätte der Beklagte bis heute nicht entschieden.

2) Die Klage ist begründet.

a) Trifft das Vorbringen des Klägers zu, der Grundstücksanschluß sei bis heute nicht verlegt worden und die Wasserleitung ende 1,0 bis 1,5 m vor seinem Grundstück, ist die Beitragspflicht noch nicht entstanden und der Heranziehungsbescheid aus diesem Grunde rechtswidrig.

Nach § 6 Abs. 6 NKAG entsteht die Beitragspflicht mit Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme, also mit der Fertigstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage. Gehört auch der sogenannte Grundstücksanschluß zur öffentlichen Wasserversorgungsanlage, d. h. das Teilstück von der Hauptleitung bis zur Grundstücksgrenze, ist die öffentliche Anlage für das betreffende Grundstück erst dann fertiggestellt, wenn auch dieses Teilstück verlegt ist.

Da nach dem Satzungsrecht des Beklagten der Grundstücksanschluß mit zur öffentlichen Wasserversorgungsanlage gehört (§ 6 Abs. 1 der Anschlußsatzung des Beklagten vom 9. Dezember 1975, Amtsblatt für den Landkreis Celle 1975, S. 291; § 6 der Satzung in der Fassung vom 10. März 1981, Amtsblatt 1981, S. 62; § 14 der Wasseranschlußsatzung vom 14. Dezember 1981, Amtsblatt 1981, S. 269), entsteht die Beitragspflicht nicht, solange der Grundstücksanschluß nicht gelegt ist.

b) Auch wenn der Anschluß - wie der Beklagte vorträgt - bereits 1979 gelegt sein sollte, hätte die Klage Erfolg. Denn dann wäre der Heranziehungsbescheid vom Dezember 1986 deswegen rechtswidrig, weil er nach Ablauf der Verjährungsfrist erlassen worden ist.

aa) Nach § 11 NKAG i. V. m. § 169 Abgabenordnung - A0 - beträgt die Festsetzungsfrist für Beiträge 4 Jahre. Die Frist beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da der Abgabenanspruch durch Festsetzungsverjährung erlischt (§ 47 A0), ist diese Rechtsfolge - anders als im Zivilrecht - nicht nur auf Einrede, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Thiem, Allgemeines kommunales Abgabenrecht, 1981 , S 160). Das bedeutet: Entsteht die Beitragspflicht durch Verlegung des Grundstücksanschlusses im Jahre 1979, so beginnt die Festsetzungsverjährung mit Ablauf dieses Jahres und endet mit Ablauf des Jahres 1983. Nach Erlöschen des Anspruchs darf ein Beitrag nicht mehr erhoben werden, ein gleichwohl ergangener Beitragsbescheid ist rechtswidrig und auf eine gegen die Beitragserhebung gerichtete Klage aufzuheben. So ist es hier.

Eine Hemmung der Verjährung - mit der Rechtsfolge, daß der Kläger auch noch Ende 1986 wirksam zu Beiträgen herangezogen werden konnte - ist nicht eingetreten.

Unter Hemmung der Verjährung versteht man in der Regel, daß ein Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, so daß sich im Ergebnis die Verjährungsfrist um die Zeitdauer der Hemmung verlängert. Eine solche Hemmung während eines bestimmten Zeitraums inmitten der Verjährungsfrist - so daß nach Wegfall der Hemmung die Frist weiterlaufen würde - kennt die Abgabenordnung nicht (im Gegensatz zum Bürgerlichen Recht, vgl. § 205 BGB). Die Abgabenordnung sieht vielmehr eine Hemmung nur in der Weise vor, daß entweder der Fristbeginn oder der Ablauf der Frist hinausgeschoben wird, und unterscheidet demgemäß zwischen einer Anlaufhemmung und einer Ablaufhemmung. Bei der Ablaufhemmung wird im Gegensatz zur Anlaufhemmung nicht der Fristbeginn, sondern der Ablauftermin der begonnenen Verjährungsfrist hinausgeschoben. Kennzeichnend für alle eine Ablaufhemmung bewirkenden Tatbestände ist, daß sie den Lauf der Festsetzungsfrist dann völlig unberührt lassen, wenn während ihres Bestehens die Festsetzungsfrist ohnehin nicht ablaufen würde; insoweit unterscheidet sich die Ablaufhemmung von der Hemmung (vgl. hierzu Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung, 14. Aufl. 1983, § 171 Anm. I). Die Ablaufhemmung ist mit anderen Worten nur dann bedeutsam, wenn die Tatbestände, die zu ihrer Entstehung führen, noch am Ende der Verjährungsfrist vorliegen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:
Ende l983 waren keine Tatbestände (mehr) gegeben, die eine Ablaufhemmung bewirkt hätten. Der Umstand, daß der Beklagte im Juni 1979 und im September 1931 Beitragsbescheide erlassen hat, führt nicht zu einer Ablaufhemmung. Denn diese Bescheide wurden 1981 und 1982 aufgehoben, als die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war. Die 1983 abgelaufene Festsetzungsfrist wird - da es sich hier nicht um eine Hemmung im engeren Sinne handelt - nicht für die Dauer der Anfechtungsverfahren hinsichtlich der früheren Abgabenbescheide hinausgeschoben.

bb) Ob die Klage - bei einer Verlegung des Grundstücksanschlusses im Jahre 1979 auch deswegen begründet ist, weil der damalige Beitragsmaßstab unwirksam oder der Abgabensatz offenbar fehlerhaft kalkuliert ist oder weil es sich um eine unzulässige Nacherhebung (Doppelveranlagung) handelt (zu diesem Gesichtspunkt s. Beschluß des OVG Lüneburg vom 8. September 1987), konnte daher im Ergebnis offenbleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Kipke Vogel Siebert

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